Die Galerie Valentien wurde 1929 von Dr. Fritz Valentien in Stuttgart gegründet, anfänglich als Sammlerkabinett mit dem Schwerpunkt auf Vermittlung von Künstlern und Kunstwerken. Schnell entstand daraus eine klassische Galerie die mit Kunstwerken des 19. und 20. Jahrhunderts handelte, aber auch mit Kunstbüchern, Bauhaus-Möbeln und Kunsthandwerk - Fritz Valentien hatte z.B. 1930 die General-Vertretung für Thonet-Möbel. Der modernen Kunst verpflichtet, stellte Fritz Valentien in den Jahren der NS-Diktatur nebenher unbeirrbar verfemte Künstler wie Oskar Schlemmer, Emil Nolde, Gabriele Münter, Adolf Hölzel, Ida Kerkovius, Otto Baum, Walter Wörn und HAP Grieshaber aus. 1944 zerstörte ein Fliegerangriff die Galerieräume vollständig. Nach der Wiedereröffnung galt das Ausstellungsprogramm der Nachkriegsjahre vorwiegend französischen Künstlern wie Pablo Picasso, Marc Chagall, Georges Braque und Joan Miró, gestützt durch erlesene angewandte Kunst und „alte Kunst“, d.h. Graphik und Bilder vor der Moderne.
1968 übernahm der Sohn Dr. Freerk Valentien die Galerie. Er legte den Fokus der Galerie ganz auf Kunst des 20. Jahrhunderts, auch expressiv politische Kunst, und Großskulptur, an zwei Standorten, im Stuttgarter Königsbau und auf halber Höhe in einer Villa. Mehr als 50 Jahre lang führte Freerk Valentien die Galerie Valentien und die Kunstbuchhandlung Valentien, und machte die Galerie zu einem weit über Stuttgart hinaus wirkenden Kunstort.
Ab 2012 leitete Dr. Freerk Valentien die Galerie mit Hilfe seiner Tochter Imke Valentien, Enkelin des Gründers. Nach dem Kunstgeschichtsstudium in London (UCL und Courtauld Institute) war sie 13 Jahre lang im Kulturbereich in der britischen Hauptstadt tätig. 2013 ist Imke Valentien nach Stuttgart zurückgekehrt, um das zeitgenössischen Programm der Galerie neu aufzubauen. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Förderung von Künstlern und Künstlerinnen, die durch technisch fundierte und inhaltlich spannende Arbeiten bereits auf sich aufmerksam gemacht haben. Daneben unterstützt Imke Valentien ihren Vater im Bereich des Kunsthandels und vertritt sowohl Galerie als auch Kunsthandel. Seit 2021 hat Imke Valentien einen eigenen Standort im Stuttgarter Süden in ihrer Galerie für Zeitgenössische Kunst.
Zusatzinformation über die Zeitabschnitte 1933–1968
Fritz Valentien geriet bereits bei der ersten Ausstellung seiner 1933 bezogenen Räume im Stuttgarter Königsbau mit der Reichskulturkammer in Konflikt. Nach der Zwangsschließung einer vom Württembergischen Kunstverein eingerichteten Retrospektive für Oskar Schlemmer im März 1933 nahm Valentien in Absprache mit dem Künstler einen Teil der Bilder „um Widerstand zu leisten und Charakter zu zeigen" zu sich in die Galerie. Dort wurden die Bilder in einem separaten Raum gehängt und gestellt und ausgewählten Kunden und Kennern moderner Kunst gezeigt. In einem Artikel der Zeitschrift „Die Weltkunst" nahm Fritz Valentien im selben Jahr öffentlich gegen die Schließung der Oskar Schlemmer Retrospektive Stellung. Die Tatsache, dass im Zeitraum zwischen 1933 und 1934 vier Bilder von Oskar Schlemmer aus der Bauhauszeit verkauft werden konnten, bezeichnete Fritz Valentien im Nachhinein als Sensation da bereits zu diesem Zeitpunkt in der breiten Öffentlichkeit „alle modernen Bestrebungen [...] erloschen" waren.
Zu den Folgeausstellungen der Galerie Valentien, die nun von der NS-Presse scharf angegriffen wurden, zählten eine ursprünglich ebenfalls vom Baden-Württembergischen Kunstverein geplante Ausstellung zum 80. Geburtstag von Adolf Hölzel (1933), die im kleineren Rahmen in der Galerie Valentien stattfand, und Ausstellungen der Künstler Ida Kerkovius (1933 und 1936), Otto Baum (1934) sowie Walter Wörn mit Darstellungen expressiver, figurinenhafter Sportler im Jahr 1936. Das Wörn-Archiv überliefert eine Liste der Vernissagengäste, unter denen sich die Künstler Willi Baumeister, Max Ackermann, Rudolf Schlichter, Otto Baum, Oskar Zügel u.a. befanden sowie die Sammler Max Fischer, Hugo Borst, Manfred Breuninger, Arnulf Klett und viele andere, die der Moderne nahestanden.
Unter dem Tarntitel „Arabische Volksbücher, griechische Volksmalerei" eröffnete Valentien 1938 die erste Einzelausstellung von HAP Grieshaber in seiner Galerie. Bei seinen Aufenthalten in Ägypten und Griechenland hatte sich HAP Grieshaber nicht nur künstlerisch betätigt, sondern auch gegen die Nationalsozialisten agitiert. Daraufhin war er nicht nur mit Ausstellungsverbot sondern auch mit Arbeitsverbot belegt worden.
Die Galeriearbeit erschwerte sich im Fortgang der NS-Diktatur zunehmend, dennoch wurden Arbeiten von Paul Klee, Emil Nolde, Karl Hofer, August Macke und Egon Schiele gehandelt, allerdings „unter dem Ladentisch", wo die Werke ohne Passepartout und Rahmen in Pappkästen gelagert und nur ausgewählten Besuchern gezeigt wurden, wie sich die damalige Mitarbeiterin Elisabeth Glaser erinnerte.
Hugo Borst, der große Mäzen und Hoffnungsträger der als „entartet" eingestuften Künstler, hat aus diesen Pappkästen unter anderem verschiedene Blätter von Paul Klee erworben, die sich heute in der Graphischen Sammlung der Stuttgarter Staatsgalerie befinden. Aufgrund seiner Vertretung verfemter Künstler wurde Fritz Valentien mehrmals in die Gestapo-Zentrale im Hotel Silber in Stuttgart zum Verhör geladen. Trotz der sich im Laufe der Jahre verschärfenden Gefahr, zeitgenössischen Künstler auszustellen, die nicht in das NS-Weltbild passten, setzte er seine Arbeit weiter fort und erklärte diese Entscheidung später als Konsequenz seiner Kunstauffassung. „Wenn man für die Kunst mit Überzeugung, mit Neigung und mit einer inneren Notwendigkeit eintritt, dann kann man gar nicht anders handeln." Die tragende Stütze der Galerie war in jener Zeit vor allem der Verkauf von Möbeln, Kunsthandwerk und Kunstbüchern.
Jüngste Forschungen haben den Verdacht aufgeworfen, Fritz C. Valentien könnte einen Versuch der Spionage unternommen haben, der aber wohl nicht gelang. In den Jahren 1941 / 42 ging ein großes Netzwerk der Wehrmacht von Militär-Spionage gegen die Schweiz von Stuttgart aus, und gemäß einem Polizeibericht einer Züricher Galeristin hatte Fritz C. Valentien erfolglos versucht sie anzuwerben. Ob und in welchem Ausmaß Valentien als Agent tätig gewesen sein könnte, ist nicht nachvollziehbar, da es keine weiteren Quellen oder Indizien gibt.
Nachkriegsjahre: 1945–1968
Der Wiederanfang der Galeriearbeit nach Kriegsende war gekennzeichnet von den mühsamen Aufbaujahren. Kurz nach der Währungsreform 1948 konnte ein von der Galerie finanzierter Barackenbau in der ausgebrannten Ruine des Stuttgarter Königsbau installiert werden. Geheizt wurde mit Kohleöfen und als Lagerräume diente ein Kellersystem aus der Zeit um 1850. Als weiterer Lagerraum wurde der große, begehbare Tresor des ehemaligen Kupferstichkabinetts angemietet, der sich in der Ruine des benachbarten Kronprinzenpalais erhalten hatte (heute Stuttgarter Kunstmuseum). Erst im Jahr 1959 konnten die vom Land Baden-Württemberg wiederaufgebauten Räume im Königsbau bezogen werden.
Einer der Unterstützer der allerersten Aufbaujahre war Heinz Berggruen, der zu dieser Zeit bei der amerikanischen Armee als Kunstoffizier diente und Care Pakete gegen Blätter von Paul Klee tauschte. Es entwickelte sich eine längere freundschaftliche Geschäftsbeziehung. Das Ausstellungsprogramm der Nachkriegsjahre setzte sich vor allem aus französischen Künstlern wie Pablo Picasso, Marc Chagall, Georges Braque, Georges Rouault, Jean Miró und Maurice de Vlaminck zusammen. Daneben wurden HAP Grieshaber, Willi Baumeister, Max Ackermann, Ida Kerkovius, Eduard Bargheer u.a. in regelmäßigem Wechsel gezeigt.
Galeriestandorte
Galerieteam
Christine Seger
Die jahrzehntelange Galeriearbeit von Dr. Freerk Valentien wurde anlässlich seines 80. Geburtstages in der Galerie Valentien gebührend gefeiert.
Oberbürgermeister Fritz Kuhn, Dr. Freerk Valentien und Imke Valentien